Achtung: Möglichkeit der Verjährung-Umsatzsteuerliche Behandlung des Direktverbrauchs aus dem Betrieb von Energieerzeugungsanlagen: Keine Lieferung im Sinne des UStG bei dezentralem Verbrauch

​​​​​veröffentlicht am 26. November 2025


Mit dem Schreiben vom 31. März 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seine bisherige Auffassung zur umsatzsteuerlichen Behandlung des direkt verbrauchten Stroms aus Energieerzeugungsanlagen grundlegend revidiert. Demnach ist Strom, der dezentral aus Photovoltaik- (PV-) oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) genutzt wird, nicht länger als fiktive Lieferung zu qualifizieren. Zahlungen in Form des KWK-Zuschlags oder der EEG-Vergütung sind künftig nichtsteuerbare Zuschüsse. Diese neue Verwaltungsauffassung orientiert sich an der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und findet auf alle noch offenen Fälle Anwendung. Bis zum 31. Dezember 2025 besteht jedoch ein faktisches Wahlrecht, nach der alten oder neuen Regelung zu verfahren.

Bislang nahm die Finanzverwaltung an, dass die Zahlung eines KWK-Zuschlags für dezentral verbrauchten Strom eine fiktive Lieferung darstellen würde: Zunächst vom Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber und anschließend zurück. Entsprechend wurde auch bei PV-Anlagen eine fiktive Hin- und Rücklieferung unterstellt, sofern der Anlagenbetreiber eine Vergütung nach § 33 Abs. 2 EEG erhalten hat.

Die Behandlung einer fiktiven Hin- und Rücklieferung führte insbesondere bei Nichtunternehmern sowie bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ohne Vorsteuerabzugsberechtigung – etwa beim Betrieb hoheitlicher KWK-Anlagen wie Kläranlagen – zu erheblichen umsatzsteuerlichen Belastungen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Urteilen vom 29. November 2022 (Az. XI R 18/21) und 11. Mai 2023 (Az. V R 22/21) die bisherige Verwaltungsauffassung verworfen. Er stellte klar, dass die Zahlung eines KWK-Zuschlags kein Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung des dezentral verbrauchten Stroms darstellt, sondern einen reinen Zahlungsvorgang ohne steuerbaren Leistungsaustausch darstellt.

Diese BFH-Rechtsprechung hat das BMF in seinem Schreiben vom 31. März 2025 zur Behandlung von Energieerzeugungsanlagen übernommen. Dabei wurde Abschnitt 2.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) umfassend angepasst, und das vorherige BMF-Schreiben vom 14. September 2014 wurde außer Kraft gesetzt.

Für KWK-Anlagen gilt nun: Umsatzsteuerlich als Lieferung gilt nur der Strom, der eingespeist oder kaufmännisch-bilanziell weitergegeben wird, soweit er nicht unter Abschnitt 2.5 Abs. 2 UStAE n.F. fällt. Strom, der dezentral verbraucht und nicht eingespeist wird, ist nach der BFH-Rechtsprechung nicht als Lieferung zu behandeln.

Der KWK-Zuschlag für Strom, der dezentral verbraucht wird, ist künftig als echter, nichtsteuerbarer Zuschuss zu qualifizieren. Gleiches gilt für den KWK-Zuschlag, der im Rahmen der Direktvermarktung gezahlt wird.
Wird der Strom hingegen physisch in das Netz eingespeist, kann der Anlagenbetreiber zusätzlich zum KWK-Zuschlag eine erhöhte Vergütung gemäß EEG für den eingespeisten Strom – den sogenannten KWK-Bonus – vom Netzbetreiber erhalten. Diese Vergütung bleibt ein gesetzlich vorgeschriebenes Entgelt für die tatsächliche Stromlieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber.

Für PV-Anlagen gilt analog: Nur der Strom, der physisch eingespeist oder kaufmännisch-bilanziell an Kunden weitergegeben wird, ist umsatzsteuerlich als Lieferung zu behandeln, wobei die Einspeisevergütung das Entgelt darstellt. Strom, der dezentral verbraucht und nicht eingespeist wird, ist hingegen keine Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinne. Eine etwaige EEG-Vergütung für diesen Direktverbrauch ist daher als nichtsteuerbarer Zuschuss einzustufen.

Zusammenfassend sollten Netzbetreiber ihre umsatzsteuerliche Praxis bei der Gutschrift von KWK-Zuschlägen zeitnah anpassen – spätestens zum 1. Januar 2026. Betreiber von KWK- oder PV-Anlagen sollten prüfen, ob eine Rückforderung bereits gezahlter Umsatzsteuer für den dezentral verbrauchten Strom möglich ist. Dies betrifft insbesondere nicht vorsteuerabzugsberechtigte Einrichtungen wie Kommunen oder Zweckverbände, bei denen sich erhebliche Erstattungsansprüche ergeben können. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, bis Ende 2025 an der bisherigen Praxis festzuhalten, um etwaige Vorsteuerkorrekturen oder unentgeltliche Wertabgaben zu vermeiden. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung ist hierfür erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Änderung von Steuerbescheiden (§§ 172 ff. AO) oder Rechnungsberichtigungen (§ 14c UStG).

Bereits abgeführte Umsatzsteuer kann nur innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen zurückgefordert werden. Betreiber sollten daher rechtzeitig prüfen, ob Ansprüche auf Rückerstattung bestehen, um eine Verjährung nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Die neue Verwaltungsauffassung bringt spürbare steuerliche Erleichterungen für viele Anlagenbetreiber und ermöglicht – zumindest bis Ende 2025 – ein wahlweises Vorgehen zur gezielten Steueroptimierung. Eine frühzeitige Prüfung des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen, ist dringend angeraten.

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