Environmental, Social und Governance (ESG)-Due Dili­gence: Ausgestaltung und Relevanz

zuletzt aktualisiert am 6. April 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Environmental, Social und Governance (ESG)-Kriterien erlangen auf privatwirtschaft­licher und institutioneller Ebene immer größere Auf­merk­sam­keit. Im April 2020 benan­nte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, den Europä­ischen Green Deal als „unseren Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung” nach der Covid-19-Pandemie. Konsequenterweise werden ESG-Kriterien auch bei Transaktionen immer relevanter und können durchaus den Kauf- bzw. Verkaufspreis bedeutend be­ein­­flussen oder auch zu einem Abbruch der Verhandlungen führen. Kauf­preis­be­ein­flussende Erkenntnisse bei einer Transaktion werden primär mittels einer Due Dili­gence (DD) aufgedeckt. Insofern lohnt sich ein Blick auf die mögliche Ausgestaltung einer ESG-Due Diligence und ihr etwaiger Einfluss auf eine Transaktion.

  


Wachsende Bedeutung von ESG-Kriterien

Das Akronym ESG setzt sich aus Environmental (Ökologie), Social (Soziales) und Governance (Unternehmens­führung, -organisation) zusammen und beschreibt inhaltlich sowie bestenfalls quantitativ die Umsetzung und Planung von nachhaltigen Strategien aus eben jenen Kategorien. Unternehmen reagieren in den letzten Jahren verstärkt auf das wachsende Bedürfnis von Investoren, Legislative sowie weiteren Anspruchsgruppen nach freiwilliger oder gesetzlicher Nachhaltigkeitsberichterstattung und berücksichtigen zunehmend ESG-Kriterien in ihrer Berichterstattung und Planung. Daneben wird die Antizipation von ESG-Kriterien auch aktiv von natio­nalen und internationalen Institutionen gefördert. So hat die Europäische Kommission mit dem Aktions­plan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums die verstärkte Verankerung von ESG-Aspekten im unternehme­rischen Risikomanagement zum Ziel und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht berät die von ihr beauf­sichtigten Unternehmen, wie im Risikomanagement Nachhaltigkeitsaspekte integriert werden können. Da je­doch z.Z. noch keine einheitlichen internationalen Regelungsstandards existieren, ist es umso wichtiger, mög­liche Alleinstellungsmerkmale oder Deal-Breaker bei einer Transaktion sorgfältig zu analysieren.


ESG Due Diligence

Eine Due Diligence – die Analyse eines Investitionsobjekts bzw. Targets mit „gebotener Sorgfalt” – als fester Bestandteil der meisten Transaktionsprozesse verfolgt stets das Ziel, Informationsasymmetrien zwischen Verkäufer und potenziellen Käufern zu verringern. Die mit Abstand häufigsten Formen der Due Diligence sind die Financial DD (finanzielle Analyse), die Tax DD (steuerliche Analyse) und die Legal DD (Analyse vertrags- und/oder organisationsrechtlicher Aspekte). Je nach Target und Interessen des potenziellen Käufers sind je­doch auch weitere Formen wie u.a. eine Commercial, IT oder HR Due Diligence möglich. Vor dem Hintergrund des gestiegenen Interesses und der Relevanz von Nachhaltigkeitskriterien etabliert sich zunehmend auch eine ESG Due Diligence. Neben klassischen finanziellen oder steuerlichen Aspekten werden so vermeintlich „weiche” Faktoren wie umweltspezifische, soziale oder organisatorische Aspekte untersucht, die jedoch einen ent­scheidenden Einfluss auf die Genauigkeit der Wertermittlung des Targets haben können. Mögliche Vorteile einer ESG DD erwachsen aus der Aufdeckung von Reputationsrisiken, der Identifikation von (künftigen) Haf­tungsrisiken, der Ermittlung sowie ggf. Quantifizierung von Wertsteigerungspotenzialen und schlussendlich daraus resultierenden Kosten, die nach der Akquisition des Targets anfallen könnten. Insofern kann eine ESG DD neben der Basis für eine Unternehmensbewertung relevante Argumente für die Kaufpreisverhandlungen liefern und in Ausnahmefällen auch zum Abbruch der Verhandlungen führen.

Um nachhaltigkeitsbezogene Risiken mit möglichen negativen Folgen auf den Unternehmenswert oder dahin­ge­hende Chancen adäquat zu eruieren, ist es zwingend erforderlich, die unternehmensindividuelle Risiko­ex­po­sition und Charakteristika zu beachten und das entsprechende Target bspw. im Sinne einer Risikoklassifikation einzuordnen. Das kann anhand der Größe des Unternehmens, der Branche, der Tätigkeit oder anderer indivi­dueller Besonderheiten geschehen. Daraus resultiert ein – je nach Risikoklassifikation mehr oder weniger um­fangreicher – unternehmensindividueller Fragebogen, um die relevanten Sachverhalte abzufragen. Bspw. ist bei einem Produktionsunternehmen mit vielen Lager- und Produktionshallen das Thema Flächenversiegelung und etwaige Ausgleichszahlungen zu beleuchten, während bei einem Großbetrieb aus der Landwirtschaft der Um­gang mit ggf. toxischen Düngemitteln oder anderen Stoffen, die die Flora und Fauna beeinflussen, zu analy­sieren ist. Da der Transaktionsprozess häufig sehr zeitkritisch und gleichzeitig jedoch auch sehr zeitintensiv ist, ist es äußerst wichtig, stets die jeweils kostenrelevantesten Aspekte zu analysieren, um möglichst ein Gleich­gewicht zwischen Kosten und Nutzen zu wahren.

Im Folgenden sollen mögliche Analysesachverhalte der einzelnen Kriterien bei einer ESG DD aufgezeigt werden.


E – Environmental (Umweltspezifische bzw. ökologische Aspekte)

Unter dem Punkt werden alle Auswirkungen untersucht, die das Target auf die Umwelt hat. Grundsätzlich kön­nen darunter auch elementare Fragestellungen wie das künftige (Fort-)Bestehen des Unternehmens in Anbe­tracht der Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft analysiert werden. Die Frage stellt sich bspw. bei einem Zulieferer der Automobilindustrie mit einem Fokus auf den Verbrennungsmotor. Bei der (Klima-)Strategie sollte untersucht werden, inwieweit die künftige Entwicklung hin zu alternativen Antriebs­arten vom entsprechenden Unternehmen in der mittel- und langfristigen Unternehmensstrategie bereits berücksichtigt wird – insofern, ob auch künftig eine Geschäftsgrundlage besteht. Auch die Emission von CO2 sollte unbedingt analysiert werden, da beim EU-Emissionshandel eine Verknappung und dadurch Verteuerung von CO2-Zertifikaten vorgesehen ist, was wiederum für betroffene Unternehmen einen signifikanten Kosten­faktor darstellen kann. Daneben sollte auch das Abfallmanagement, Energie- und Wasserverbrauch sowie unternehmensindividuelle Aspekte wie die Gefahr von Leckagen und eine mögliche (unkontrollierte) Abgabe von Chemikalien/Giftstoffen in die Umwelt untersucht werden. Die Aspekte können nicht nur zu signifikanten (künftigen) Kosten (durch Strafzahlungen, Umrüstungen etc.), sondern auch zu künftigen Einsparungen und damit einhergehenden Wettbewerbsvorteilen führen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Unter­neh­men bereits heute Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung ergreift, wie der Verzicht auf umweltschädigende Giftstoffe, die Nutzung von regenerativen Energien oder die Nutzung von Regen- statt Trink­wasser.


S – Social (Soziale Aspekte)

Unter dem Punkt werden alle Aspekte hinsichtlich des Umgangs des Unternehmens mit Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und weiteren Personen subsumiert. Dabei sollen insbesondere Risiken für Reputationsschäden oder rechtliche Risiken aufgedeckt werden. Relevante Fragestellungen beziehen sich häufig auf die Ausge­stal­tung und Kontrolle der Lieferkette und die Einhaltung aller nationalen und internationalen Vorschriften insbe­sondere hinsichtlich Menschenrechte und Arbeitssicherheit. Auch eine hohe Mitarbeiterfluktuation sollte näher analysiert werden, da das Rekrutieren und Halten von geeigneten Mitarbeitern ein zentrales Element für den Fortbestand eines jeden Unternehmens ist und Probleme zu hohen Kosten oder entgangenen Gewinnen führen können. Weiterhin können vor der Transaktion definierte Ausschluss- bzw. Abbruchkriterien („Unver­ein­barkeitsliste”) bspw. die Involvierung in Rüstungsgeschäfte untersucht werden, soweit das nicht offensichtlich ist. Während im Bereich Environment tatsächliche Transformations- und/oder Strafkosten in den meisten Fällen die größte Rolle spielen, kann eine Nichtbeachtung von sozialen Aspekten eher zu schwer­wiegenden Reputa­tionsschäden und damit zusammenhängenden nachgelagerten Kosten oder entgangenen Gewinnen bzw. ver­lorenen Marktanteilen führen.


G – Governance (Aspekte der Unternehmensführung)

Governance beschreibt im Allgemeinen die Qualität, Effektivität und Effizienz der Unternehmensführung, der organisatorischen Ausgestaltung und das ethische Verhalten des Unternehmens. Der Bereich Governance wird insbesondere bei vergleichsweise größeren Unternehmen relevanter, sollte jedoch auch bei kleineren Trans­ak­tionsobjekten nicht vernachlässigt werden. Klassische Untersuchungsfelder liegen in Fragestellungen hinsicht­lich einer transparenten (und korrekten) Buchführung, Mechanismen zur Vorbeugung von Korruption, die Un­abhängigkeit etwaiger Aufsichtsorgane und einem dahingehend effizienten Moni­to­ring-/­Risiko­mana­ge­­ment­system. Nicht zuletzt zeigt der Fall Wirecard, welche Auswirkungen ein Missmanagement in dem Bereich haben kann. Auch eine funktionierende IT-Infrastruktur gilt es zu untersuchen und etwaige daraus resul­tie­rende Risi­ken aufzudecken. Unzureichende IT-Sicherheitsmaßnahmen können zu schwerwiegenden und insbe­son­dere kostenintensiven Problemen führen. Nicht zuletzt gilt es auch das Gebaren des Unternehmens gegenüber staatlichen und anderen Organisationen zu untersuchen. Gab es dabei in der Vergangenheit bereits Probleme, so kann sich das negativ auf die künftige Entwicklung des Unternehmens auswirken.

Einzelne Kriterien aus den verschiedenen Bereichen können sich durchaus überschneiden, da es auch wech­sel­seitige Beziehungen zu untersuchen gilt. Nur eine vollständige ESG Due Diligence kann daher ein vollum­fassendes Bild über Umfang und Ausgestaltung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens geben. Selbst­ver­ständ­­lich sollte jedoch die tatsächliche Unternehmensrealität antizipiert und eine entsprechende Fokussierung gesetzt werden.

Die Erkenntnisse aus einer ESG Due Diligence bieten nicht nur Argumente in der Kaufpreisverhandlung, son­dern werden auch Einfluss in die Unternehmensbewertung finden. Einerseits können künftige Gewinne und Ausgaben nach einer ESG Due Diligence besser bzw. genauer bestimmt werden und damit auch die zu diskon­tierenden künftigen Cash Flows. Andererseits kann die Beachtung oder Nichtbeachtung von klimatischen und gesellschaftlichen Änderungen Einfluss auf Wachstum oder Stagnation haben und sollte daher innerhalb des Bewertungsmodells beachtet werden. Besteht weiterhin ein ESG-Rating oder wurde beim Transaktions­vor­ha­ben ein solches erstellt, so bietet es sich darüber hinaus an, bei einer Peer Group-Analyse nur jene Vergleichs­unternehmen heranzuziehen, die ein vergleichbares ESG-Rating wie das zu bewertende Unternehmen auf­wei­sen.


Fazit

Environmental-, Social- und Governance (ESG)-Kriterien erlangen eine wachsende Bedeutung für Unterneh­men, Institutionen und Investoren. Eine Nichtbeachtung der Aspekte kann nicht nur zu signifikanten künftigen Kosten führen – im Extremfall muss auch der Unternehmensfortbestand in Frage gestellt werden. Dement­sprechend wichtig ist es insbesondere für Letztere bei einer Transaktion die relevantesten Kriterien sorgfältig vor einer Investition zu untersuchen. Das geschieht im Allgemeinen mittels einer (ESG) Due Diligence, die mög­liche künftigen Risiken und nicht zuletzt auch (verborgene) Potenziale aufdecken kann. Dabei sollte jedoch im Vorfeld stets ein Risikoprofil erstellt werden, um die jeweils relevantesten Aspekte zu identifizieren.

Kontakt

Contact Person Picture

Cyril Prengel

Diplom-Kaufmann, EMBA (M&A), Certified Valuation Analyst (CVA)

Partner

+49 911 9193 3350

Anfrage senden

Contact Person Picture

Bent Arican

Transactions Valuation Restructuring

Associate

+49 911 9193 1137

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Unternehmer­briefing

Kein Themen­special verpas­sen mit unserem Newsletter!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu