Anfechtung von Gesellschafterdarlehen – Neue Chancen für internationale Investoren?

​​veröffentlicht am 20. November 2025


Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzrecht beeinflusst maßgeblich die Attraktivität von Investitionen in Deutschland. Die Finanzierung von deutschen Unternehmen ist für ausländische Investoren oft unattraktiv. Ein strenges Recht der Insolvenzanfechtung, eine weite Auslegung des Gesellschafterbegriffes und die Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz schreckt ausländische Investoren aufgrund der darin liegenden Risiken oft ab. Eine Entscheidung des BGH und eine damit verbundene Vorlage beim EuGH könnte nun neue Chancen für internationale Investoren bieten.


Risiken für Investoren nach derzeitiger Rechtslage

Gesellschafterdarlehen sind im Insolvenzverfahren nachrangige Forderungen. Darüber hinaus unterliegt eine Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung der Insolvenzanfechtung (§ 135 InsO). Maßgeblich ist allein, dass es sich um ein Darlehen eines Gesellschafters oder eine gleichgestellte Forderung handelt und die Befriedigung in diesem Zeitraum vorgenommen wurde. Weitere Voraussetzungen – etwa besondere Kenntnisse des Gesellschafters über die wirtschaftliche Lage – sind nicht erforderlich.

Problem für internationale Investoren sind die damit einhergehenden weitgehenden Risiken, da man die Beteiligung lediglich als Investment behandeln möchte, aber in Entscheidungen und Entwicklungen der Gesellschaf​t nicht im Detail eingebunden wird. Da eine Kenntnis nicht erforderlich und der Begriff „Gesellschafter“ weit auszulegen ist, kann dies schnell zu Insolvenzanfechtungsrisiken führen. So reicht auch schon eine mittelbare Beteiligung im Konzern gegebenenfalls für eine Gesellschafterstellung aus. Darüber hinaus steht auch das beliebte Finanzierungsinstrument der mezzaninen Finanzierung auch ohne gesellschaftsrechtliche Verstrickung im Risiko der Insolvenzanfechtung, da bei mezzaninen Finanzierungen dem Kapitalgeber oft Mitbestimmungs- oder Lenkungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Eine solche Ausgestaltung umfangreicher Einflussnahmen kann jedoch zu einer Gesellschafterstellung im insolvenzanfechtungsrechtlichen Sinne führen.

BGH-Vorlage an den EuGH

​Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun über die Rückforderung von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren im internationalen Kontext zu entscheiden. Im Rahmen dessen hat dieser zentrale Fragen zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen in grenzüberschreitenden Anwendungsfällen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt (IX ZR 229/23).

In dem zu entscheidenden Fall ging es um die Nachrangigkeit eines nach österreichischem Recht vereinbarten Gesellschafterdarlehens einer österreichischen GmbH​​ an eine deutsche GmbH und die damit im Zusammenhang stehende Forderungsanmeldung und Anfechtung von innerhalb der Jahresfrist erfolgten Rückzahlungen. Der Darlehensgeber machte im Prozess geltend, dass aufgrund der für die Darlehensverträge getroffenen Rechtswahl österreichisches Recht auf die Darlehensverträge anwendbar sei und nach österreichischem Recht sämtliche Rechtshandlungen in keiner Weise angreifbar seien.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass nach deutschem Recht die Zahlungen anfechtbar seien. Der Vortrag des Klägers, wonach die Rechtshandlung nach österreichischem Recht nicht anfechtbar seien, zeige klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Reichweite und zum Verständnis von Art. 13 EuInsVO aF auf. Zwar gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Das Recht des Staates regelt insbesondere welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Nach Art. 13 EuInsVO findet diese Norm keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und dass in diesem Fall diese Handlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist.

Der BGH stellte fest, dass die Frage, ob nationale Regeln zum Nachrang von Gesellschafterdarlehen auch dann gelten, wenn die Gesellschaft in einem anderen EU-Staat ansässig ist und dort andere Regelungen bestehen, europarechtlich ungeklärt ist.

Mögliche Auswirkungen

Die Entscheidung des EuGH und dessen Positionierung zu den Vorlagefragen bleibt daher abzuwarten. Der EuGH wird klären, ob nationale Nachrangregeln wie in Deutschland auch in grenzüberschreitenden Insolvenzen gelten oder ob Investoren sich auf das Recht des Sitzstaates der Gesellschaft oder ggf. vertragliche Regelungen berufen können.

Sollte der EuGH klarstellen, dass nationale Nachrangregeln nicht automatisch auf grenzüberschreitende Fälle übertragbar sind, könnten Investoren in grenzüberschreitenden Finanzierungen eine stärkere Position behalten. Zudem könnten Insolvenzanfechtungsrisiken reduziert werden. Damit sind weitreichende Möglichkeiten eröffnet, grenzüberschreitende Finanzierungen flexibler zu gestalten, dies würde die Attraktivität grenzüberschreitender Finanzierungen deutlich erhöhen.

Die Entscheidung des EuGH wird jedenfalls mit Spannung erwartet, internationale Investoren sollten diese Entscheidung genau verfolgen.

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Nadine Schug

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