Finanzierung unter Druck – wie Unternehmen in der Polykrise ihre Sanierung zahlen

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 20. November 2025


Unternehmen stehen derzeit vor einer beispiellosen Herausforderung: Die sogenannte Polykrise – das gleichzeitige Auftreten mehrerer, sich gegenseitig verstärkender Krisen – setzt auch die Sanierungsfinanzierung massiv unter Druck. Steigende Zinsen, volatile Märkte, geopolitische Spannungen, Lieferkettenprobleme und der anhaltende Transformationsdruck durch Digitalisierung und Nachhaltigkeit erschweren es, in Krisensituationen ausreichende Finanzierungsmittel zu sichern. Die zentrale Frage lautet daher: Wie lässt sich eine Sanierung finanzieren, wenn Kapital teurer und knapper wird, Banken vorsichtiger agieren und das Eigenkapital vieler Unternehmen bereits geschwächt ist?


Die Finanzierung von Sanierungen ist ohnehin eine anspruchsvolle Aufgabe, doch das aktuelle Umfeld verschärft die Lage deutlich. Der Anstieg der Zinsen verteuert Kreditaufnahmen spürbar, während gleichzeitig gestiegene Energie- und Rohstoffpreise die Liquidität belasten. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen mit sinkenden Margen und stagnierender Nachfrage kämpfen. Banken und Investoren reagieren darauf mit Zurückhaltung – sie fordern höhere Sicherheiten, detailliertere Sanierungskonzepte und einen klaren Nachweis der Zukunftsfähigkeit.


Für viele Mittelständler bedeutet das: Der gewohnte Zugang zu Fremdkapital wird schwieriger, während das Eigenkapital bereits durch Krisenjahre aufgezehrt ist. In dieser Situation gewinnt die strategische Planung der Finanzierung innerhalb des Sanierungsprozesses entscheidende Bedeutung. Eine rein operative Restrukturierung reicht nicht mehr aus – sie muss durch ein tragfähiges Finanzierungskonzept ergänzt werden.


Zu den wichtigsten Bausteinen solcher Konzepte gehören heute hybride und mezzanine Finanzierungsinstrumente, die eine Brücke zwischen Eigen- und Fremdkapital schlagen. Sie bieten Unternehmen Spielraum, ohne sofortige Eigenkapitalzufuhr zu verlangen. Auch Stillhalteabkommen mit Gläubigern, kurzfristige Sanierungskredite oder staatliche Förderprogramme können helfen, Engpässe zu überbrücken. Immer häufiger wird zudem auf strategische Investoren oder den gezielten Verkauf von nicht-strategischen Geschäftsbereichen gesetzt, um Liquidität freizusetzen und die Bilanz zu entlasten.


Darüber hinaus gewinnt das Modell des Sale-and-Lease-Back zunehmend an Bedeutung. Der Vorteil liegt darin, dass das Unternehmen sofort Liquidität erhält, ohne den operativen Betrieb einzuschränken. In den meisten Fällen kann die freigesetzte Liquidität genutzt werden, um kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen oder notwendige Investitionen in die Modernisierung und Effizienzsteigerung zu tätigen.


Ergänzend dazu rücken Private-Debt-Fonds und spezialisierte Sanierungsfinanzierer stärker in den Fokus. Diese Sanierungsfinanzierer bieten flexible Kreditlösungen an, die nicht an klassische Bankenprozesse gebunden sind, verlangen im Gegenzug jedoch transparente Sanierungskonzepte und Mitspracherechte. Gerade in Fällen, in denen Zeitdruck besteht oder Banken restriktiv agieren, können Private-Debt-Finanzierungen eine wertvolle Brückenlösung darstellen.


Neben externem Kapital spielt auch der Beitrag der Gesellschafter eine wichtige Rolle. Neue Gesellschafterdarlehen, Rangrücktritte oder Debt-to-Equity-Swaps, d.h. die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital, signalisieren Vertrauen und erhöhen die Bereitschaft Dritter, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Solche Maßnahmen werden häufig mit staatlichen Bürgschaften oder Förderprogrammen kombiniert, etwa über die KfW oder Bürgschaftsbanken, um das Risiko für Fremdkapitalgeber zu reduzieren.


Ein gänzlich anderer Ansatz kann sich ergeben, wenn die Möglichkeiten des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) genutzt werden. Ein praktisches Beispiel zeigt, wie mithilfe des StaRUG moderne Sanierung unter Druck finanziert und strukturiert werden kann.


Im konkreten Fall stand das Unternehmen wegen hoher Rückzahlungsverpflichtungen und drohender Zahlungsunfähigkeit unter massivem Druck. Eine klassische Fremdfinanzierung war nicht mehr umsetzbar. Im Rahmen des StaRUG-Verfahrens wurden Gläubiger frühzeitig eingebunden, Forderungsverzichte vereinbart und operative Restrukturierungsmaßnahmen abgesichert. Durch die rechtlich verbindliche Restrukturierungsvereinbarung konnte die Liquidität stabilisiert und der Geschäftsbetrieb ohne Unterbrechung fortgesetzt werden, welches ein Beleg für die Wirksamkeit moderner Sanierungsinstrumente außerhalb des Insolvenzrechts ist. Auch unter erheblichem Finanzdruck konnte so, durch strukturierte Modelle und frühzeitige Maßnahmen, eine Sanierung realistisch und planbar erfolgen.


Wie wirkungsvoll eine Kombination der Finanzierungsinstrumente sein kann, zeigt ein anderes Beispiel:


Ein mittelständischer Maschinenbauer geriet infolge gestiegener Energiekosten und Materialpreise in eine ernste Liquiditätskrise. Die Banken lehnten eine Ausweitung der Kreditlinien zunächst ab. Im Rahmen eines IDW-S6-Gutachtens wurde ein integriertes Sanierungskonzept erstellt, das die Fortführungsfähigkeit bestätigte und eine tragfähig​e Finanzierungsstruktur vorsah. Kern des Plans war ein dreistufiges Finanzierungsmodell: Zunächst stellten die Gesellschafter ein nachrangiges Darlehen über 500.000 Euro bereit, um das Vertrauen der Hausbank zu stärken. Parallel wurde ein Sale-and-Lease-Back-Verfahren für Produktionsanlagen im Buchwert von rund 2,5 Millionen Euro umgesetzt, wodurch kurzfristig 1,8 Millionen Euro Liquidität freigesetzt wurden. Schließlich gewährte die Hausbank, abgesichert durch eine 60-prozentige Bürgschaft der Landesförderbank, ein Sanierungsdarlehen über 1 Million Euro. Das Ergebnis: Das Unternehmen konnte die akute Liquiditätslücke schließen, offene Lieferantenverbindlichkeiten bedienen und gleichzeitig in energieeffizientere Maschinen investieren. Nach rund zwölf Monaten war die Produktionsauslastung wieder auf Vor-Krisen-Niveau, und das Vertrauen von Kunden und Banken zurückgewonnen.


Eine erfolgreiche Sanierungsfinanzierung beginnt jedoch lange vor der eigentlichen Kapitalbeschaffung. Entscheidend ist eine vorausschauende Finanzierungs-Roadmap, die nicht nur den kurzfristigen Kapitalbedarf abbildet, sondern auch die operative Stabilisierung und den Übergang in ein tragfähiges Geschäftsmodell berücksichtigt. Offene Kommunikation mit allen Stakeholdern, insbesondere Banken, Gesellschaftern und öffentlichen Förderinstitutionen, ist dabei unerlässlich.


In der Praxis hat sich gezeigt: Wer frühzeitig Transparenz schafft, realistische Szenarien präsentiert und die eigene Zukunftsfähigkeit glaubhaft belegt, stärkt das Vertrauen der Kapitalgeber und schafft Verhandlungsspielraum. Gerade in der Polykrise ist Liquidität wichtiger als Profitabilität. Das kurzfristige Überleben hat Vorrang vor dem mittelfristigen Wachstum.


Zugleich sollten Sanierungskonzepte zunehmend Aspekte der Nachhaltigkeit und Digitalisierung einbeziehen. Kreditgeber erwarten heute nicht nur ein funktionierendes Finanzmodell, sondern auch eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie das Unternehmen langfristig resilient und wettbewerbsfähig bleibt.


Die Polykrise ist damit auch eine Zäsur in der Sanierungspraxis: Sie zwingt Unternehmen, Finanzierung, Strategie und Struktur gemeinsam zu denken. Wer sich frühzeitig vorbereitet, den Finanzierungsbedarf präzise plant und die relevanten Akteure einbindet, kann auch in einem schwierigen Umfeld seine Sanierung erfolgreich finanzieren und gestärkt aus der Krise hervorgehen.​ 


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